OLG München
Urteil vom 09.03.95, - 29 U 3903/94 -
Ein Bereicherungsanspruch steht neben dem Schmerzensgeldanspruch bei unerlaubter Veröffentlichung von Bildern einer Person

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 29 U 3903/94
Entscheidung vom 29. März 1995
Leitsatz:
Die Verbreitung eines Bildnisses ohne die nach § 22 KUG erforderliche Zustimmung des Abgebildeten begründet einen Anspruch des Abgebildeten aus §§ 812 I 1, 818 II BGB auf Zahlung eines Betrags in Höhe einer angemessenen Lizenz. Daneben kann ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens bestehen.
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien streiten um Forderungen der Kl. auf Richtigstellung, immateriellen Schadensersatz und eine angemessene Lizenzgebühr wegen der nicht genehmigten Veröffentlichung eines die Kl. darstellenden Fotos in einer von der Bekl. herausgegebenen Illustrierten.
Die Kl. betätigt sich nach ihrer Darstellung als Schriftstellerin, Fotojournalistin, Schauspielerin, Maskenbildnerin und Kosmetikerin; früher war sie auch als Fotomodell tätig.
Sie war früher - jedenfalls in den Jahren 1978/1979 - verheiratet mit dem Fotografen R. Im Jahre 1978 erstellte die Kl. in - im einzelnen streitiger - Zusammenarbeit mit R ein Foto für eine Werbung der Firma K. Das Foto zeigte die Kl. nur mit einem Pelz bekleidet, telefonierend hinter einem Schreibtisch. Es wurde im Jahre 1979 in einer Zeitschriftenanzeige der Firma K verwendet.
In einem von der Kl. vorgelegten Schreiben der Firma K vom 17. 12. 1992 nimmt K für sich "die copyrights" an dem Foto in Anspruch. Im Jahre 1989 veröffentlichte die Kl. einen Bildband mit dem Titel "Erotik". Auf S. 30 dieses Bildbands ist das erwähnte Foto wiedergegeben.
Die Bekl. ist Herausgeberin der Illustrierten "B". In Heft 51/1991 veröffentlichte sie unter dem Titel "Die neuen Seitensprünge in Deutschland" einen Artikel über (u.a.) Telefonsex. Auf S. 28/29 des Hefts ist in einer 1 1/3 Seiten füllenden Größe ein die Kl. in der Mitte des Bildes zeigender Ausschnitt wiedergegeben.
Es handelt sich (unstreitig, obwohl die Wiedergabe Teile zeigt, die beim Abdruck in dem genannten Bildband abgedeckt waren) um einen auf der Grundlage des Bildbands gefertigten Nachdruck des Fotos.
Im oberen Teil des Bildes, über dem Kopf der Kl., findet sich folgender Text: "Der Mensch, der das Rad erfand, erfand die Liebe per Telekom. Er wählt eine Nummer, und in seinem Kopf materialisiert sich die Traumfrau, Nackte im Pelz".
In der linken unteren Ecke des Fotos findet sich folgender Text: "Telefonsex. Der Mann sieht seine Partnerin nicht, spürt sie nicht, weiß nicht, wer sie ist - hört nur ihre Stimme. Sie macht alles vokal. Einheitspreis: 50 Mark für 20 Minuten. Die reinste Form der körperlosen Liebe. Der Mann ertastet sie mit Worten. Wenn er Fotos will oder eine Verabredung: keine Chance. 1. Gebot der Mädchen: Wir sind Fantasie, aber machen alles, wirklich alles mit.' Am rechten Bildrand befindet sich folgender Vermerk: "Fotos: R, dpa, The Telegraph Li/Bavaria".
Die Bekl. hatte für die Veröffentlichung weder die Zustimmung der Kl. noch die des R oder eines anderen eventuell Berechtigten eingeholt.
Nach der Veröffentlichung meldete sich R bei der Bekl. und teilte mit, daß die ihm zustehenden Urheberrechte an C-GmbH übergegangen seien. Diese verlangte mit Rechnung vom 18. 12. 1991 von der Bekl. Zahlung eines Veröffentlichungshonorars von 3500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, das die Bekl. beglich.
Die Kl. hat behauptet, sie sei alleinige Urheberin des streitigen Fotos gewesen. R habe bei der Herstellung des Fotos lediglich nach ihren Weisungen gehandelt und in ihrem Auftrag "den Auslöser betätigt". R oder C-GmbH hätten daher keine Rechte an dem Foto.
Die Kl. hat geltend gemacht, sie sei durch die Bildveröffentlichung der Bekl. dem Verdacht ausgesetzt worden, Telefonsex zu betreiben. Dies habe ihr heftige Vorwürfe eines die Herausgabe eines Buches von ihr vorbereitenden Verlags und Telefonanrufe aus ihrem Bekanntenkreis eingebracht, in denen sie gefragt worden sei, ob sie es nunmehr nötig habe, Telefonsex zu betreiben. Sie hätte der Veröffentlichung des Fotos, zumal im Zusammenhang mit Telefonsex, unter keinen Umständen zugestimmt.
Die Kl. hat geltend gemacht, ihr stehe ein Anspruch auf Richtigstellung, auf Ersatz des ihr entstandenen immateriellen Schadens unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts am eigenen Bild, der Ehre und des Persönlichkeitsrechts und unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ein Anspruch auf eine fiktive Vergütung, insgesamt ein Betrag von mindestens 15000 DM zu.
Sie hat beantragt,
1. die Bekl. zu verurteilen, in der ersten auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Ausgabe der Zeitschrift "B" eine Richtigstellung zu veröffentlichen, daß das in Heft 51/91 Seite 28/29 veröffentlichte Foto der Kl. ohne deren Wissen und Einwilligung abgedruckt wurde und mit seiner Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem Artikel nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die abgebildete Person Telefonsex betreibe oder damit in Zusammenhang stünde und
2. die Bekl. zu verurteilen, an die Kl. für die unerlaubte Veröffentlichung von deren Foto im Heft 51/91 B, S. 28f., eine Lizenzgebühr, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Das LG hat die Bekl. zur Veröffentlichung einer Richtigstellung gemäß Antrag Nr. 1 und zur Zahlung von 12000 DM und 4 % Zinsen hieraus seit dem 31. 3. 1992 verurteilt.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Bekl. blieb ohne Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat schließt sich den Ausführungen des LG im wesentlichen an. Ergänzend ist - insbesondere im Hinblick auf die Berufungsbegründung - auf folgendes hinzuweisen:
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Zutreffend hat das LG der Kl. einen Anspruch auf Veröffentlichung einer Richtigstellung dahin zugesprochen, daß das veröffentlichte Foto der Kl. ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung abgedruckt wurde und mit seiner Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem Artikel nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die Kl. Telefonsex betreibe oder damit in Zusammenhang stehe. Grundlage des Anspruchs auf Richtigstellung ist nach heute allgemeiner Meinung §§ 823 I, 1004 BGB. Zwar kann ein Anspruch auf Richtigstellung nur im Hinblick auf verbreitete Tatsachenbehauptungen geltend gemacht werden, wobei grundsätzlich erforderlich ist, daß die angegriffenen Tatsachenbehauptungen wörtlich aufgestellt worden sein müssen. Der Aussagegehalt einer Veröffentlichung muß aber vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses gesehen werden, in dem die Äußerungsfreiheit der Presse zum Persönlichkeitsrecht des durch die Äußerung Betroffenen steht. Daher muß auch berücksichtigt werden, wie die streitige Äußerung in der Öffentlichkeit verstanden wird. Die Presse kann daher auch für ein negatives Verständnis verantwortlich sein, das aus der Veröffentlichung ohne weiteres abgeleitet werden kann, wenn dieses Verständnis hätte vermieden werden können (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdnrn. 13.6, 13.15).
Vor diesem Hintergrund hat das LG zutreffend einen Richtigstellungsanspruch der Kl. bejaht. Die Veröffentlichung des Fotos insbesondere unter Hinweis auf die Urheberschaft der Kl. konnte in der Öffentlichkeit und insbesondere bei dem Personenkreis, dem die Kl. persönlich bekannt ist, nur dahin verstanden werden, daß die Kl. dieser Veröffentlichung zugestimmt hatte. Denn es ist allgemein bekannt, daß die Veröffentlichung des Bildnisses einer Person grundsätzlich nur mit ihrem Einverständnis zulässig ist. Dieses Verständnis der Rechtslage ist insbesondere für den Fall weit verbreitet, daß es sich bei dem Foto um eine Aufnahme mit erotischem Bezug handelt und die Veröffentlichung in einem verfänglichen Zusammenhang - hier: Telefonsex - erfolgt. Die Veröffentlichung des Bildes unter Hinweis auf die Bildrechte der abgebildeten Kl. konnte daher weithin und insbesondere bei den Personen, denen die Kl. bekannt war, nur dahin verstanden werden, daß die Kl. der Veröffentlichung zugestimmt habe. Dieser Eindruck hätte durch Unterlassen der Veröffentlichung - zu ihr bestand keine Veranlassung, da die Kl. unstreitig zu dem in dem Artikel abgehandelten Thema nicht in Zusammenhang steht - vermieden werden können. Die Kl. kann daher Richtigstellung dahin verlangen, daß die Veröffentlichung des Fotos ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung erfolgte.
Nach den gleichen Grundsätzen kann die Kl. auch eine Richtigstellung des Inhalts verlangen, daß mit dem Artikel nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die Kl. Telefonsex betreibe oder damit im Zusammenhang stehe. Das Foto zeigt die Kl. in einem Pelz und im übrigen erkennbar - zumindest weitgehend - unbekleidet. Unmittelbar über dem Kopf der Kl. befinden sich die Worte "die Traumfrau, Nackte im Pelz" aus dem im Tatbestand dieses Urteils zitierten Text. Der Text nimmt somit ausdrücklich auf das Bild der Kl. Bezug. Ein weiterer Bezug zwischen Text und Bild besteht darin, daß der Text sich mit Telefonsex - der "Liebe per Telekom" - befaßt und die Kl. telefonierend zeigt. Hinzu kommt, daß durch die Veröffentlichung der Eindruck entstehen mußte, die Kl. habe sich mit der Veröffentlichung des Fotos im hier erörterten Zusammenhang einverstanden erklärt oder sie müsse sich die Veröffentlichung gegen ihr Einverständnis gefallen lassen, weil sie tatsächlich Telefonsex betreibe. Daran, daß in der Öffentlichkeit weithin und insbesondere bei den Personen, denen die Kl. bekannt ist, das Verständnis nahelag, die Kl. treibe Telefonsex oder stehe zumindest damit im Zusammenhang, kann daher insgesamt kein Zweifel bestehen. Auch hier gilt, daß dieser Eindruck durch Unterlassen der Veröffentlichung ohne weiteres hätte vermieden werden können. Der Richtigstellungsanspruch ist daher begründet.
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Zutreffend hat das LG der Kl. einen Anspruch auf Zahlung von 4000 DM in Höhe einer entgangenen Lizenzgebühr zugespro chen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Anspruch aus § 823 I, II BGB i.V. mit §§ 22, 23 II KUG hergeleitet werden kann. Denn der geltend gemachte Anspruch der Kl. ergibt sich jedenfalls aus §§ 812 I 818 II BGB (Schricker/Gerstenberg, UrheberR, § 60/ §§ 33-50 KUG Rdnr. 6). Allerdings ist die bei Schricker gegebene, an Hubmann und möglicherweise an die Argumentation in BGH, NJW 1979, 2205f., re. Sp. Nr. 2 anschließende Begründung für diesen Anspruch, der Verwender des Bildes sei "auf Kosten des Abgebildeten um die Ersparnis der Aufwendungen bereichert, die er hätte machen müssen, um die Einwilligung des Abgebildeten zur Verwendung seines Bildnisses zu erhalten", ungenau. Denn derjenige, der ohne die gem. § 22 S. 1 KUG erforderliche Einwilligung des Abgebildeten ein Bildnis verbreitet, hat nicht die "Ersparnis von Aufwendungen", sondern die Verwendung, die Nutzung des Bildes, erlangt. Das Recht, die Möglichkeit zur Nutzung des Fotos gehörte, auch wenn der Abgebildete von ihr keinen Gebrauch machen wollte, zum Vermögen des Abgebildeten; um diese Nutzungsmöglichkeit, den Gebrauchsvorteil, ist der Nutzer bereichert (Palandt, BGB, 54. Aufl., § 812 Rdnr. 28). Die Nutzung, nicht ihre Unentgeltlichkeit ist das Erlangte i.S. von § 812 I 1 BGB. Die Unentgeltlichkeit der Nutzung ist Folge des Fehlens des rechtlichen Grundes für die Nutzung, jedoch nicht Gegenstand der Bereicherung. Die - hier: von der Bekl. - erlangte Nutzung des Bildnisses ist im Verhältnis zum Abgebildeten ohne Rechtsgrund erlangt, da die gem. § 22 S. 1 KUG erforderliche und in der Regel vertraglich zu erteilende Zustimmung des Abgebildeten fehlt. Das Fehlen der Zustimmung wird von der Bekl. nicht in Zweifel gezogen. Sie kann insbesondere auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Kl. ihre Zustimmung zur Herstellung des Fotos erteilt und das Foto in dem Bildband "Erotik" veröffentlicht hat. Denn eine aus diesen Tatsachen oder eventuell aus der Zahlung eines Entgelts an die Kl. gem. § 22 S. 2 KUG herzuleitende Einwilligung der Kl., würde sich jedenfalls nicht auf eine Veröffentlichung durch die Bekl. beziehen. Auch einer der Fälle, in denen ausnahmsweise die Erlaubnis der Kl. nicht erforderlich gewesen wäre ( § 23 KUG) liegt ersichtlich nicht vor.
Rechtsfolge der Tatsache, daß die Bekl., die Nutzung des Bildnisses der Kl., (nicht durch Leistung, sondern "in sonstiger Weise' i.S. von § 812 II 1 BGB) erlangt hat, ist nach der genannten Bestimmung die Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzung und, da die Herausgabe "wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich" ist, gem. § 818 II BGB die Verpflichtung zum Ersatz des Wertes. Der zu leistende Wertersatz ist nach dem Betrag zu bestimmen, den die Bekl. im Falle des Abschlusses eines Lizenzvertrags für die ohne Rechtsgrund erlangte Nutzung zu bezahlen verpflichtet gewesen wäre. Denn dieser Betrag gibt den wirtschaftlichen Wert der erlangten Nutzung, die als solche nicht herausgegeben werden kann, wieder.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Kl. nach ihrer eigenen Erklärung der streitigen Nutzung des Bildnisses nicht zugestimmt, also einen Lizenzvertrag mit der Bekl. nicht geschlossen hätte. Im Anschluß an das Urteil des BGH (BGHZ 26, 349 (353) = NJW 1958, 827 - Herrenreiter) ist zwar in der Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden, daß die Bemessung des zu ersetzenden Schadens nach dem Entgelt, das bei Abschluß einer Vereinbarung vermutlich zu entrichten gewesen wäre, dann versagt, wenn feststeht, daß der Abgebildete die Verwendung seines Bildes aus besonderen Gründen nicht gestattet hätte, weil dann eine Beeinträchtigung vermögensrechtlicher Belange - auch im Rahmen der in dem erwähnten Urteil erörterten gewohnheitsrechtlichen Ergänzung des Schadensersatzrechtes für den Fall der Verletzung vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte - nicht in Betracht kommt (BGHZ 30, 7 (17) = NJW 1959, 1269 - Caterina Valente; BGHZ 35, 363 (366) = NJW 1963, 2059 - Ginseng-Wurzel; BGH, NJW 1979, 2205 (2206) = AfP 1979, 345 (347) - Fußballtorwart; OLG Stuttgart, NJW 1983, 1203 - Nacktfoto; Krit.: Wenzel, Rdnr. 9.6; Schwerdtner, in: MünchKomm, § 12 Rdnr. 284). Die zitierten Entscheidungen beziehen sich jedoch in den erwähnten Ausführungen ausschließlich auf den vom Kl. jeweils geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen materiellen Schadens. In der Tat könnte es als widersprüchlich erscheinen, wenn der Kl. einen gewohnheitsrechtlich begründeten Anspruch auf Ersatz materiellen Schadens aus der Verletzung von vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechten geltend macht, der "auf der Billigkeitserwägung beruht, daß der Verletzer durch die Verletzung nicht besser gestellt sein soll, als er im Fall einer ordnungsgemäß nachgesuchten Erlaubnis gestanden hätte" (BGHZ 26, 349 (352) = NJW 1958, 827) und vorträgt, daß er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts keinesfalls erteilt hätte. Immerhin könnte es auch hier erwägenswert erscheinen, den Verletzer nicht nur mit dem Einwand auszuschließen, daß er einen Lizenzvertrag nicht abgeschlossen hätte, sondern auch mit dem Einwand, daß der Kl. dies nicht getan hätte. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da der hier erörterte Einwand jedenfalls gegenüber dem sich aus §§ 812, 818 BGB ergebenden Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung versagt. Denn die Erwägung, die Berechnung der ungerechtfertigten Bereichung nach der üblichen Lizenzgebühr sei zu versagen, wenn der Kl. aus besonderen Gründen seine Zustimmung zu der Nutzung nicht erteilt hätte, wäre vom Ansatzpunkt her verfehlt: Durch den Anspruch aus §§ 812 I, 818 II BGB soll nicht im Sinne einer nachträglichen Fiktion einer Genehmigung der Veröffentlichung ein quasi vertragliches Verhältnis hergestellt werden, sondern es soll nur die ungerechtfertigte Bereicherung ausgeglichen werden. Die Bekl. hat den erlangten Wert (in Höhe der ersparten Lizenzgebühr) herauszugeben und damit den Bereicherungsvorgang, soweit dies "wegen der Beschaffenheit des Erlangten" ( § 818 II BGB) noch möglich ist, rückgängig zu machen. Der Anspruch zielt daher nicht auf eine nachträgliche "Legalisierung" des Bereicherungsvorgangs, die für den Betroffenen in der Tat eine nachträgliche Kränkung sein könnte, sondern auf seine möglichst weitgehende Rückabwicklung.
Es kann auch nicht - in Anlehnung an die erwähnte Argumentation, nach der in den Fällen der hier streitigen Art ein materieller Schaden nicht entstanden ist - geltend gemacht werden, der Kl. sei nicht "entreichert", die Bekl. sei nicht bereichert, weil die Kl. nach eigenem Sachvortrag eine Lizenz nicht eingeräumt, ihr Ausschließlichkeitsrecht also nicht kommerziell genutzt hätte. Denn die Kl. hatte rechtlich die Möglichkeit der Nutzung des Rechts an ihrem Bildnis, auch wenn sie es nicht in der hier streitigen Art und Weise nutzen wollte, und die Bekl. hat diese Nutzung ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Bereicherung der Bekl. um die Nutzung des Fotos entspricht somit die Entreicherung der Kl. um die Möglichkeit, der Bekl. das Nutzungsrecht einzuräumen. Darauf, ob die Kl. zur Rechtseinräumung bereit gewesen wäre, kommt es für das Vorliegen des Bereicherungstatbestandes nicht an.
Zutreffend hat das LG den der Kl. zustehenden Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe einer entgangenen Lizenz mit 4000 DM bewertet. Es hat sich dabei auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Die ergänzende Berücksichtigung der von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen angesetzten Entschädigungsbeträge (Übersicht bei Schricker, S. 1475-1495) bestätigt den vom LG angesetzten Betrag als richtig.
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Zutreffend hat das LG auch einen Anspruch der Kl. auf Ersatz immateriellen Schadens bejaht. Nach st. Rspr. kann derjenige, dessen Persönlichkeitsrecht in schwerer Weise schuldhaft verletzt worden ist, vom Schädiger einen Ausgleich in Geld für immateriellen Schaden verlangen, wenn die erlittene Beeinträchtigung nicht anders befriedigend ausgeglichen werden kann. Voraussetzung ist, daß die Schwere des Eingriffs oder des Verschuldens eine Genugtuung erfordert (Schricker, §§ 33-50 KUG Rdnrn. 9 bis 11 m.w.Nachw.; BGH, NJW 1985, 1617 = LM Art. 2 GrundG Nr. 53 = GRUR 1985, 398 (400) - Nacktfoto). Dabei hängt die Entscheidung der Frage, ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also von dem Ausmaß der Verbreitung der rechtswidrigen Veröffentlichung, der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab, wobei die besondere Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu berücksichtigen ist, die ihre Rechtfertigung nicht nur in der Genugtuung für den Verletzten, sondern in erster Linie in dem Gedanken findet, daß das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (BGH, NJW 1985, 1617). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kl. zu bejahen. Dies ergibt sich insbesondere aus einer Abwägung der beiderseitigen Interessen: Die Kl. hatte zwar die Herstellung eines Fotos von sich selbst mit einer deutlichen erotischen Note gestattet, sie hatte jedoch gerade deswegen ein erhebliches Interesse daran, zu kontrollieren, ob und wo dieses Foto veröffentlicht werden würde und insbesondere ein Interesse daran, zu verhindern, daß bei der Veröffentlichung ein mißverständlicher Zusammenhang hergestellt werde. Diese Interessen der Kl. hat die Bekl., ohne daß dazu irgendeine Veranlassung bestand, in gravierender Weise verletzt: Sie hat das Foto in einer in hoher Auflage verbreiteten Illustrierten veröffentlicht und es zudem bei der Veröffentlichung in den in Nr. 1. erörterten grob mißverständlichen Zusammenhang gestellt. Unstreitig sind die erörterten, aus der Veröffentlichung zu ziehenden Schlüsse nicht gerechtfertigt. Die Veröffentlichung war daher geeignet, das Persönlichkeitsrecht der Kl. schwer zu beeinträchtigen. Denn Telefonsex wird in weiten Kreisen der Bevölkerung als ein Teilbereich der Prostitution angesehen. Berücksichtigenswerte Interessen der Bekl. an der Veröffentlichung des Bildes sind demgegenüber weder behauptet noch ersichtlich: Während in dem erwähnten vom BGH entschiedenen Fall (BGH, NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 (399)) ein durch das Informationsbedürfnis gedecktes Anliegen der Bekl. anzuerkennen war, die Fernsehzuschauer in sachlicher Weise umfassend zu informieren, ist ein solches Interesse im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Denn die Kl. steht unstreitig mit dem in dem Artikel behandelten Thema in keinem Zusammenhang.
Die Bekl. trifft auch ein hohes Verschulden. Zutreffend hat das LG darauf hingewiesen, daß bei der Veröffentlichung eines Personenbildes und insbesondere bei einem die Intimsphäre des Abgebildeten berührenden Foto die Pflicht zu sorgfältiger Prüfung besteht, ob und wie weit eine Veröffentlichungsbefugnis besteht (BGH, NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 (400)). Die Bekl. hat sich vor der Veröffentlichung weder um den Erwerb der Nutzungsrechte noch um die nach § 22 KUG erforderliche Zustimmung der Kl. zur Veröffentlichung ihres Fotos bemüht. Als Herausgeber eines Presseorgans ist die Bekl. selbstverständlich über die hier bestehenden Verpflichtungen informiert. Sie hat somit vorsätzlich gehandelt.
Zutreffend hat das LG angenommen, daß eine andere Art des Schadensausgleichs als die Zahlung einer Geldentschädigung nicht in Betracht kommt. Durch die zu veröffentlichende Richtigstellung kann allenfalls ein partieller Ausgleich erzielt werden. Insbesondere unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts, daß die Geldentschädigung ihre Rechtfertigung nicht nur in der Genugtuung für den Verletzten, sondern in erster Linie in dem Gedanken findet, daß das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen ohne Anerkennung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung ohne ausreichenden Schutz bliebe, erscheint die Anerkennung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs als geboten. Der Höhe nach ist der vom LG zugesprochene Betrag von 8000 DM unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht zu beanstanden. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des LG an.
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Die erörterten Ansprüche stehen nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus. Für das Nebeneinanderbestehen der Ansprüche auf materiellen und auf immateriellen Schadensersatz hat der BGH dies in dem bereits erwähnten Urteil (BGHZ 30, 7 (18) = NJW 1959, 1269) ausgesprochen. Für die hier erörterten Ansprüche auf Ersatz immateriellen Schadens und Bereicherungsausgleich gilt das Gleiche: Die Ansprüche sind die Rechtsfolgen unterschiedlicher Tatbestände - unerlaubter Handlung einerseits, ungerechtfertigte Bereicherung andererseits - und stehen selbständig nebeneinander. Dem kann insbesondere auch nicht entgegengehalten werden, daß durch die Bezahlung eines Betrags in Höhe der angemessenen Lizenz die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Bekl. nachträglich gerechtfertigt werde. Denn der Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe der angemessenen Lizenz dient, wie dargelegt, der Rückabwicklung der ungerechtfertigten Bereicherung, nicht der Herstellung eines quasi vertraglichen oder die Bereicherung sonst rechtfertigenden Zustands. Durch die Rückabwicklung der Bereicherung wird aber nur diese, nicht aber die eingetretene Persönlichkeitsrechtsverletzung beseitigt. Sie ist daher nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gesondert durch eine Geldzahlung auszugleichen.
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Die vom LG offengelassene Frage, ob der Kl. auch ein Anspruch wegen Verletzung des von ihr behaupteten Urheberrechts an dem Foto zusteht, kann auch in der Berufungsinstanz offenbleiben, da die vom LG der Kl. zuerkannten Zahlungsansprüche sich bereits aus den vorstehend erörterten Rechtsgrundlagen ergeben und die Kl. eventuelle weitergehende Ansprüche nicht mit der Berufung weiterverfolgt hat.
(Richter am OLG v. Hunoltstein, München).
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